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Rede im Gemeinderat

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Gemeinderäte und Gemeinderätinnen, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bedanke mich für die Einladung hier und heute als Vertrauensperson des Fuß und Radentscheids stellvertretend für mehr als 20.000 Bürgerinnen und Bürgern sprechen zu dürfen.

Der Gemeinderat entscheidet heute über die Zulässigkeit zweier Bürgerbegehren, die einen Paradigmenwechsel für die Mobilität in Freiburg einläuten möchten.

Erlauben Sie mir in aller Kürze diesen Tagesordnungspunkt in einen Kontext zu rücken.

Die Drucksache 258 nimmt den Wunsch des Oberbürgermeisters nach einem “Masterplan Mobilität” auf, den er bereits im Februar 2019 auf einer Veranstaltung in der Fabrik angekündigt hatte. Zudem ist die Drucksache 258 eine Reaktion auf die im Juli gestellten Gemeinderatsanträge nach mehr Personal. Drucksache 267 ist ebenfalls eine Antwort auf einen Gemeinderatsantrag zum Thema „Umgang mit Gehwegparken“. Außerdem hat das Garten- und Tiefbauamt die bereits bestehenden Radverkehrsplanungen beschleunigt. Worauf die Vorlagen, so wie sie in den verschiedenen Ausschüssen beraten wurden, allerdings leider nicht eingehen, ist der dringend notwendige Paradigmenwechsel bei der Gestaltung der Mobilität in Freiburg.

Was wir vom Fuß und Radentscheid fordern sind keine radikalen Spinnereien, sondern die Umsetzung von Beschlüssen, die sich teilweise schon im 2008 verabschiedeten Verkehrsentwicklungsplan und im 2013 verabschiedeten Radkonzept 2020 finden.

  • Wir können es uns nicht mehr leisten, lediglich die Mindeststandards der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen aus dem Jahr 2010 umzusetzen. Die Anforderungen an unsere Radinfrastruktur haben sich durch die zahlreichen Pedelecs, eScooter, Lastenräder und Kinderanhänger stark verändert!

  • Wir können es uns nicht mehr leisten, die Statistik der verunglückten Radfahrer:innen in Baden-Württemberg anzuführen. Wir müssen den Radverkehr sicher und komfortabel machen, damit alle Menschen zwischen acht und 88 Jahren objektiv und subjektiv sicher und angstfrei ihre Alltagswege in Freiburg zu Fuß und mit dem Rad zurücklegen können.

  • Wir brauchen attraktive und direkte Fußverkehrsverbindungen, um die aktive Mobilität zu fördern.

  • Wir brauchen eine zukunftsgerichtete Verkehrsplanung, die das vom Gemeinderat beschlossene Klimaschutzkonzept ernst nimmt.

  • Wir können es uns nicht mehr leisten, schöne Ziele für 2030 zu verabschieden und im “Hier und Jetzt” politisch anspruchsvolle Entscheidungen immer wieder zu vertagen. Wer die Umsetzung politischer Beschlüsse als radikal bezeichnet, verkennt den politischen Handlungsdruck der heutigen Zeit.

Wir haben in unseren zahlreichen Gesprächen mit der Verwaltung und mit den Fraktionen viel Zustimmung im Bezug auf unsere Forderungen wahrgenommen. Teilweise hatten wir das Gefühl von Freunden und Freundinnen umzingelt zu sein.

Am Beispiel der Fuß und Radverkehrsplanungen an der Berliner Allee haben wir aufgezeigt, wie sich unser Verständnis von Verkehrswende von den bisherigen Planungen unterscheidet. Ein weiteres Beispiel sind die Differenzen bei der Planung für den Schlossbergring. Dort fordern wir eine kreuzungsfreie, attraktive, baulich getrennte Fuß- und Radverkehrsverbindung auf der Ostseite des Schlossbergrings, welche den Osten und den Norden der Stadt angemessen miteinander verbindet.

Ja, unsere Planungen sehen eine Kapazitätsreduktion der Kfz Leistung vor. Wir planen für die nächsten Jahrzehnte und wenn wir die Klimabeschlüsse, die sowohl in Paris als auch in diesem Gremium gefällt wurden, ernst nehmen, dann ist das nicht verrückt, sondern das einzig vernünftige.

Die Freiburger Bevölkerung hat im Frühjahr 2019 einen Gemeinderat gewählt, in dem die Verkehrswende eine Mehrheit hat. Am 20.9.2019 haben 30.000 Menschen in der größten Demonstration der Nachkriegsgeschichte Freiburgs mit Fridays for Future für ambitionierte Klimapolitik gestreikt. Unsere Initiative hat in drei Monaten trotz Corona-Einschränkungen mehr als 40.000 Unterschriften für die Verkehrswende gesammelt. Tausende Unterstützer:innen protestierten seit Juli gemeinsam mit uns an jedem zweiten Freitag im Monat für die Verkehrswende in Freiburg.

“Was?”, frage ich Sie! Was brauchen Sie, als die Entscheidungsträger:innen dieser Stadt noch, um die Dringlichkeit der Verkehrswende endlich ernst zu nehmen und den dringend notwendigen Paradigmenwechsel mit klaren politischen Vorgaben einzuleiten?

Beim Thema Mobilität haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagte Robert Vollmer, Verkehrs- und Regionalforscher beim infas-Institut, auf dem von der Stadt Freiburg organisierten „Zukunftsforum 2040: Wie wir uns übermorgen fortbewegen“ im Dezember 2019.

Bei der Umsetzung der Verkehrswende gilt es heute die Welt von morgen zu schaffen. Es gilt mutig voran zu schreiten und gestaltend zu planen. Die Planungsgrundlage kann nicht mehr der vorgeblich unabwendbar steigende KfZ-Bestand in Freiburg und der Region sein.

Die Stadtverwaltung fragt sich auf S. 5 der DS 258, welche Maßnahmen sich heute sinnvoll und im Konsens mit allen in der Stadt umsetzen lassen. Wir glauben, dass das die falsche Frage ist.

Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die übergeordneten Ziele des Klimaschutzes, der Verkehrssicherheit und der Lebensqualität in unserer Stadt zu erreichen! Mit den vorliegenden Änderungsanträgen haben Sie, liebe Gemeinderäte, liebe Gemeinderätinnen die Möglichkeit einen großen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.

Rede des FR-Entscheids
in der Gemeinderatssitzung
vom 08.12.2020