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Die entscheidenden Unterschiede – Beispiel: Berliner Allee

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Der Fuß- und Radentscheid hat mit 41.000 gesammelten Unterschriften einen enormen Rückhalt in der Bevölkerung. Sowohl die Fraktionen des Gemeinderats als auch die Stadtverwaltung signalisieren bei jeder öffentlichen Gelegenheit Unterstützung für eine bessere Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur in Freiburg.

Man könnte meinen, dass der Fuß- und Radentscheid sein Ziel schon erreicht hat. Aber aufgepasst! Der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Der VCD Regionalverband Südbaden hat mit seiner Stellungnahme im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens an der Friedhofstraße aufgezeigt, dass die aktuelle Planung des FR3 noch immer ruhenden Verkehr gegenüber dem Fuß- und Radverkehr priorisiert.

Wir wollen in diesem Beitrag am Beispiel der Berliner Allee aufzeigen, wie die aktuelle Planung der Stadtverwaltung nicht nur inkompatibel mit den Forderungen des FR-Entscheids ist, sondern teilweise auch die geltenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen oder Beschlüsse des Gemeinderats unterläuft.

Chronologie

Der aktuelle Zustand entlang der Westseite der Berliner Allee zwischen Breisacher Straße und Lehener Straße bzw. Sundgauallee ist absolut unbefriedigend – darin sind sich zunächst alle einig.
Eine Radverkehrsanlage existiert derzeit gar nicht. Lediglich der schmale Fußweg ist für den Radverkehr freigegeben. Das bedeutet in der Praxis, dass Radfahrer:innen legal auf der Fahrbahn fahren dürfen. Allerdings erfordert das bei einer zweispurig ausgebauten Autostraße mit Tempo 50 viel Mut und wird auch von Autofahrer:innen immer wieder mit missbilligendem Hupen und engem Überholen quittiert.

Im Oktober 2019 stellte das Garten- und Tiefbauamt  dem Mobilitätsausschuss seine Planungen für einen breiteren Fuß- und Radweg in der Berliner Allee vor. Nach der erfolgreichen Umsetzung der Maßnahme würden ein Gehweg mit 1,90 Meter Mindestbreite und ein Radweg mit 1,60 Meter Breite entstehen, die vermutlich durch einen weißen Strich voneinander getrennt wären. Dafür müssten der Zaun zum Sportgelände versetzt und 23 Bäume bzw. Sträucher entfernt werden. Diese Planungen erfüllen die von der Stadt selbst gesetzten Standards nicht bzw. nur gerade so: Laut dem 2008 verabschiedeten Verkehrsentwicklungsplan 2020 sollen Fußwege mindestens 2,50 Meter breit sein, an viel befahrenen Straßen noch breiter. Laut Radkonzept 2020 handelt es sich bei dieser Strecke für den Radverkehr um eine Hauptroute, wofür die Stadt selbst nach ihrem eigenen Regelwerk eine Mindestbreite von 1,60 Meter vorsieht. Es ist unverständlich, warum im Neubau solche davon abweichenden „Lösungen“ ernsthaft geplant werden, obwohl es naheliegende Alternativen gäbe.

Nachdem die Badische Zeitung über die geplante Maßnahme berichtete, formierte sich Protest gegen die Baumfällungen. Als Reaktion darauf verschob das Garten- und Tiefbauamt die Umbaumaßnahme. Amtsleiter Frank Uekermann kommentierte die Verschiebung in der Badischen Zeitung:

“Alle sind für die Verkehrswende, aber wenn es dann konkret wird und auch mal wehtut, regt sich sofort Widerstand.”

Im Mai 2020 war die Planung aber unverändert Teil der Fachgruppe Radverkehr, zu der sowohl Gemeinderäte als auch Verbände wie der ADFC, der VCD oder der ADAC gehören.

 

Wem tut die Verkehrswende weh? Baumschützer:innen oder Autofahrer:innen?

Schon in der Sitzung des Mobilitätsausschusses im Oktober 2019 hatten Gemeinderäte von den Fraktionen der Grünen, der SPD und von Eine Stadt für alle angeregt, den Radverkehr auf die Fahrbahn zu verlegen. Die anwesenden konservativen Ratsmitglieder hatten Bedenken, weil angeblich die Rettungsdienste dadurch behindert würden. Sowohl die Malteser als auch die Feuerwehr konnten diese Bedenken nicht nachvollziehen. Breite Radwege auf der Fahrbahn erleichtern es den Rettungskräften faktisch „durchzukommen“, da Radfahranlagen im Bedarfsfall viel schneller geräumt werden können als Autospuren, wie etwa auch die letzten Fahrraddemos gezeigt haben.
Immer wieder wurde auch angeführt, dass die Gemeinderät:innen den Bewohner:innen des Mooswalds im Zuge des Stadionausbaus versprochen hatten, die Verkehrsbelastung durch den Stadionbetrieb so gering wie möglich zu halten. Mit der Suwonallee ist das Stadion über den Zubringer Mitte, Paduaallee und Granadaallee ampelfrei an die B31 und die A5 angeschlossen. Da liegt es doch auf der Hand, die Verkehrswege innerhalb der Stadt zumindest teilweise zurückzubauen, um genau dadurch die versprochene Entlastung der Wohnquartiere zu erreichen.

Analog zu der Verkehrsreglung in der Eschholzstraße zwischen Engelberger Straße und Straßenbahn wäre auch in der Berliner Allee eine kombinierte Bus- und Radspur denkbar. Diese sollte dann noch über die Lehener Straße hinaus geführt werden, um dann zwischen den Platanen an die Fuß- und Radunterführung anzuschließen. Damit wäre auch gleich die nächste Engstelle für den Radverkehr umfahren und die Radfahrer:innen könnten kreuzungsfrei in Richtung Betzenhausen, Haslach/Weingarten oder in Richtung Innenstadt weiterfahren. Mittelfristig ist auf dem Abschnitt zwischen Lehener Straße und Bissierstraße bzw. Weingarten noch viel Potential und Bedarf für Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur, aber wir beschränken uns an dieser Stelle bewusst auf kostengünstige und schnelle Maßnahmen als Alternative zu der von der Stadtverwaltung vorgebrachten Planung.

Dieser Vorschlag ließe sich ohne Eingriffe in den Baumbestand relativ schnell umsetzen. Falls der Baumbestand aber ohnehin, wie von der Stadtverwaltung festgestellt, größtenteils nicht erhaltenswert ist, könnte mit dem Versetzen der Begrenzung zur Sportanlage trotzdem ein ausreichend breiter Fußweg entstehen. Der Zeitverlust für den Busverkehr wäre aufgrund der in diesem Abschnitt liegenden Haltestelle  minimal. Für den Autoverkehr blieben zwischen Breisacher und Lehener Straße immer noch vier Spuren übrig (inklusive Abbieger), was dem Kfz-Verkehr weiterhin weit mehr Raum als den umweltfreundlichen Verkehrsträgern einräumen würde.