Selbstmarketing und Realität in der selbsternannten „Green City“
In den Auszügen der Haushaltsrede von Herrn Bürgermeister Breiter (Amtsblatt 9.12.2022) findet sich die Aussage „was über all diesen Attributen steht, ist das Thema Klimaschutz. Dieser Haushalt ist auch ein Klimahaushalt“. Auch Herr Oberbürgermeister Horn schreibt auf seiner Facebook-Seite „Schwerpunktmäßig wollen wir in die Felder bezahlbares Wohnen, Schulen und Kitas, Digitalisierung, Klimaschutz und nachhaltige Mobilität investieren.“
Bei genauerer Betrachtung des Haushaltsentwurfs 23/24 ist jedoch festzustellen, dass beim Thema Mobilität, welches immerhin das größte Sorgenkind des Klimaschutzes ist, einige Haushaltsansätze so gar nicht zu diesen Aussagen passen wollen:
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Der Ansatz für die umweltfreundlichsten Verkehrsarten (Fuß- und Radverkehr) hat sich von ca. 11,1 Mio € in 2022 auf jährlich geplante ca. 5,05 Mio € in den Haushaltsjahren 23 und 24 mehr als halbiert.
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Die Stadtverwaltung plant in den Jahren 2023 und 2024 mit ca. 5,1 Mio € in der Summe mehr Eigenmittel für Tiefgaragen und Parkhäuser aufzuwenden als für den gesamten Fuß- und Radverkehr mit ca. 4,1 Mio. €.
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Für das Jahr 2024 ist sogar eine „Pauschale für den Bau von neuen Parkhäusern/ Parkgaragen im Stadtgebiet“ im Haushalt angesetzt.
Versteht Herr OB Horn das unter schwerpunktmäßiger Investition in nachhaltige Mobilität?
Klimaschutz ohne Verkehrswende kann nicht gelingen, denn der Bereich Mobilität macht in Freiburg inzwischen ungefähr 28 % der CO2-Emissionen pro Einwohner:in aus und ist (Coronaeffekte ausgenommen) in den letzten Jahren sogar gestiegen (Gemeinderatsdrucksache G-22/186). „Wie kann es sein, dass eine ‚Green City‘ den Etat für die klimafreundlichsten Mobilitätsformen eben mal mehr als halbiert und gleichzeitig in 2024 – mitten in der Klimakatastrophe – noch Gelder für neue Parkhäuser in Freiburg vorsieht?“ fragt sich Jörg Isenberg, eine der Vertrauenspersonen des Fuß- und Radentscheids. Hier klaffen Anspruch und Realität meilenweit auseinander!
Wir fordern deshalb, dass der Etat für den Fuß- und Radverkehr in den Jahren 2023 und 2024 nicht, wie im Verwaltungsansatz vorgesehen, gekürzt wird, sondern mindestens auf dem Niveau von 2022 fortgeführt wird. Alles andere ist mitten in der Klimakatastrophe und wenige Monate nachdem der Gemeinderat beschlossen hat, den Zieltermin für die Freiburger Klimaneutralität auf 2035 vorzuziehen, nicht nachvollziehbar!
Ebenso fordert der Fuß- und Radentscheid Freiburg, dass kein Geld in die Planung oder den Bau von neuen Parkgaragen in Freiburg investiert wird (Ausnahme: P&R). Millionensummen in bestehende Parkgaragen zu investieren, kann nur gerechtfertigt sein, wenn diese zu einer Fahrradgarage oder einer Mobilitätsstation umgebaut werden. Dann müsste die Stadt auch nicht alles aus knappen Eigenmitteln bezahlen, sondern könnte voraussichtlich mit großzügigen Zuschüssen des Landes für die Umnutzung rechnen.
Ein solches Vorgehen würde sich insbesondere bei der Bahnhofsgarage, die im Haushaltsentwurf mit mehreren Millionen Euro Eigenmitteln (ohne Förderung) bedacht wird, anbieten: Zum einen wurden an der Bahnhofsachse in den letzten Jahren die Parkhaus-Kapazitäten sowieso erweitert (Neubau des Volksbank-Parkhauses) und zum anderen besteht am Hauptbahnhof ein dringender Bedarf an attraktiven Fahrradstellplätzen und einer optimalen Verknüpfung zwischen ÖPNV und anderen umweltfreundlichen Mobilitätsformen.
Der Entwurf der Verwaltung wird zur Zeit im Gemeinderat beraten. Wir fordern die Gemeinderatsfraktionen auf, diesen Etatentwurf, so nicht zu akzeptieren und auch im Verkehrsbereich einen klima- und enkeltauglichen Haushalt durchzusetzen.
Zur Einordnung: Der Haushaltsansatz 2022 entspricht mit ca. 48 € pro Einwohner:in und Jahr einem guten Jahresniveau vorbildlicher europäischer Fahrradstädte, wohingegen das von der Verwaltung für 23/24 geplante Niveau von ca. 22 € pro Einwohner:in und Jahr als eher mager zu bewerten ist.
Zum Vergleich:
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Vorbildliche Städte im europäischen Ausland investieren schon seit Jahrzehnten auf hohem Niveau in Fuß- & Radverkehr.
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Tübingen investiert z. Zt. ca. 100 € pro Einwohner:in und Jahr in den Radverkehr (https://meinpodcast.de/vorfahrt-fuers-klima/boris-palmer-parkrume-in-der-stadt bei ca. 23:25 min).
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Zudem macht der geringe Eigenanteil von geschätzt ca. 16 € pro Einwohner:in und Jahr, den die Stadt Freiburg bei Gesamtausgaben für den Fuß- & Radverkehr von ca. 48 € pro Einwohner:in und Jahr selber aufbringen müßte, die Förderung dieser umweltfreundlichsten Verkehrsarten auch finanziell zu einer extrem lohnenden Investition.